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Reiseberichte Im Reich der roten Riesen
Markus Heine
Norwegen

Im Reich der roten Riesen

Rotbarsche in Rekordgewichten bis zu zehn Kilogramm – von solchen Kalibern träumt jeder Meeresangler. Am Øksfjord im hohen Norden Norwegens kann dieser Traum wahr werden.

Es ist Mitte Juli. Zusammen mit meinem Kingfisher-Kollegen Frank Brodrecht toure ich für einige Tage durch die Finnmark, um unsere norwegischen Partner vor Ort zu besuchen. Unser erster Stopp: Øksfjord Sjøfiske, gute zwei Autostunden von Alta entfernt. Das Seegebiet rund um die Mündung des Øksfjords besticht mit seiner landschaftlichen Schönheit und zeichnet sich durch vielfältige Strukturen aus: Kleine Inseln in Ufernähe wechseln sich mit rasch abfallenden Riffen und Freiwasserflächen mit über 300 Metern Wassertiefe ab. Ein großer Vorteil dieses Reviers: Die meisten Hotspots sind mit den 20,5ft langen und 100 PS starken Kværnø HT Booten in maximal 25 Minuten erreicht.  

Campbesitzer Roar macht uns den Mund wässrig: „Schaut mal her“, sagt der emsige Norweger und hält uns sein Handy vor die Nase. „Diese fetten Rotbarsche wurden vor einigen Tagen gefangen, der größte wog 10,2 Kilogramm.“ Ein Rotbarsch von über zehn Kilo? Ich blicke aufs Handy und sehe Rot: Rotbarsche so groß wie unsere heimischen Karpfen. Mein Kollege ist genauso hin und weg wie ich und schaut nervös zu den Booten im Hafen hinüber. „Ist eins frei?“ Grinsend nickt Roar …  

Um 19 Uhr stechen wir in See. Es weht wenig Wind, die Temperaturen liegen bei fast 20 Grad. Unser Plan für heute Abend: Wir wollen zwar mit Naturködern auf die kapitalen Rotbarsche angeln, zunächst aber mit Kunstködern einige Seelachse, Dorsche und vielleicht auch einen Heilbutt verhaften. Und zwar genau in dieser Reihenfolge. Ein ehrgeiziger Plan, denn bei vielleicht 5 Stunden Angelzeit, die wir in von unserer Dienstreiseplanung abzwacken können, sollten wir über jeden Fisch froh sein… 

Von daher tuckern wir nach nur 15-minütiger Ausfahrt über Wassertiefen von über 200 Metern und suchen mithilfe des Echolots nach verdächtigen Fischanzeigen. Diese erscheinen jedoch nicht. In dem Wissen, dass das nicht unbedingt etwas heißen muss, lasse ich einen 150 Gramm schweren Pilker Richtung Grund sausen, stoppe ihn bei etwa 120 Metern und kurble ihn dann im Affenzahn ein. Einmal, zweimal, dreimal wiederhole ich diese Aktion, bekomme aber keinen Fischkontakt. Wir versuchen es noch an anderen Stellen im Freiwasser, bleiben aber erfolglos. 

Planänderung. „Lass es uns flacher versuchen“, schlägt Frank vor. Ein Blick auf die Kingfisher-Seekarte macht die Sache wesentlich einfacher, vor allem, da uns Adam – neben Roar die gute Seele im Camp – vor unserer Rausfahrt verraten hat, dass südlich von Punkt 7 in den letzten Tagen gut gefangen wurde. Von Weißschnauzendelphinen begleitet, steuern wir eine gut 100 Meter tiefe Bodensenke an, der weiter zum Ufer hin flach ausläuft. Als wir uns langsam über den Hotspot treiben lassen, tauchen auch erste Futterfischschwärme auf dem Echolot auf. 

Endlich fangen wir die ersten Seelachse, mit 60-70 cm keine Riesen, aber das Abendessen ist gesichert. Sie beißen nicht beim schnellen Hochkurbeln des Pilkers, sondern etwa zehn Meter über Grund in 80 Metern Tiefe. Mit einem großen Cutbait Herring im Puffin-Design versuche ich, gezielt die größeren Fische zu erwischen. Hart am Grund dann der erste Biss! „Oh, oho, ohohooo - der ist besser, Frank!“, kommentiere ich den Drill und bin gespannt, welche Art gleich an der Oberfläche erscheinen wird. Es ist ein guter Dorsch, an die 15 Pfund schwer.  

Nach kurzem Abklatschen sausen unsere Köder wieder zum Grund und bringen weitere herrliche Dorsche. Die über 20 Pfund schwere Exemplare werden dieses Jahr laut Adam und Roar in Tiefen von 100-200 Metern gefangen. Eher ungewöhnlich, aber Veränderungen wie diese gibt es in jedem Jahr. Gut, wenn man auf das Fachwissen der Betreuer vor Ort bauen kann. 

Wir beackern weiter unseren Hotspot und treiben nun mitten durch die Senke. Auf Pilker fangen wir in den nächsten Minuten sogar einige Rotbarsche, jedoch nicht die eingangs erwähnten Riesen, sondern um die 30 Zentimeter lange Exemplare. In dem eher „flachen“ Wasser hätten wir jedoch gar nicht mit den Stachelrittern gerechnet. 

Frank setzt jetzt auf einen Sandeel von Savage Gear, den er zum Grund ablässt, dann stückchenweise einkurbelt, kurz stehen lässt – und einen Hammerbiss bekommt! Ein Dorsch? Oder Seelachs? Die Magnus-Spinnrute von Sportex mit 90 Gramm Wurfgewicht krümmt sich gewaltig. Als der Fisch dann mehrfach Schnur von der Rolle reißt, sind wir uns ziemlich sicher, was da am Haken hängt. „Sieht ganz nach Butt aus“, schätzt Frank und genießt den Drill mit einem breiten Grinsen im Gesicht.  

Einige Minuten später bestätigt sich unsere Vermutung: Es ist ein Butt, der an der Oberfläche das Wasser schaumig schlägt. „Und ab ins Boot mit dir“, sagt Frank und hievt den etwa 1,10 Meter langen Fisch per Kiemengriff über die Reling. Wir freuen uns riesig über den Fang, ein Heilbutt ist immer ein Erlebnis!  

Wie immer, vergeht die Zeit beim Angeln wie im Fluge. Es ist zwar noch taghell, aber bereits eine Stunde nach Mitternacht. Bisher haben wir es gar nicht gezielt mit Naturködern auf die roten Riesen probiert, mögen gute Stellen auch ganz in der Nähe liegen. Schweren Herzens entschließen wir uns jedoch dazu, diesen schönen Angeltag zu beenden, schließlich wartet noch eine kleine Nachtschicht im Filetierhaus auf uns. Die Rotbarsche müssen also bis zum nächsten Mal auf ein gemeinsames Kennenlernen warten – sicherlich wird sie das nicht stören.